Kürzungen bei der Kindertagespflege?

Lokalzeit aus Düsseldorf 13.05.2024 02:55 Min. Verfügbar bis 13.05.2026 WDR

Düsseldorf: Protest gegen Nachweise für Kindertagespflege

Stand: 14.05.2024, 07:29 Uhr

Eltern und Betreiber von Kindertagespflegen kritisieren die Pläne der Stadt. Für mehr Betreuungszeit sollen künftig Nachweise nötig sein. Tagesmütter und -väter sorgen sich um ihre Existenz.

Von Peter Hild

35 Stunden pro Woche soll demnach der neue Standard werden, für eine längere Betreuung sollen Eltern künftig ihren Bedarf nachweisen müssen. Die Stadt begründet das mit einer landesweiten Erhebung, nach der für die meisten Eltern 35 oder weniger Wochenstunden ausreichend seien.

Der Saal der Sankt-Franziskus-Gemeinde in Düsseldorf-Mörsenbroich war am Montagabend proppevoll. Knapp 300 Menschen waren zu einem Infoabend der Interessengemeinschaft Kindertagespflege gekommen.

Die wollte aufklären über die aus ihrer Sicht ungerechten und existenzbedrohenden neuen Regeln der Stadt für die Kindertagespflege, die die Politik im Juni beschließen soll. Auf zahlreiche Anfragen und viele offene Punkte habe die Stadt bisher jedoch nicht reagiert.

Bedarf für mehr Betreuungszeit nachweisen

Eine Frau mit weißem Oberteil, im Hintergrund viele Zuschauer und eine Rednerin

IG-Vorständin Tessa Gierscher

"Wir erleben das in der Praxis ganz anders", kritisierte Tessa Gierscher, Vorständin der IG Kindertagespflege. "Wir fühlen uns ignoriert und ungerecht behandelt gegenüber den Kitas, dort fragt niemand nach Nachweisen. Es gibt ein Wunsch- und Wahlrecht der Eltern." Viele befürchten nun, durch weniger Stunden auch weniger zu verdienen.

Viele Eltern verzweifelt

Einige Eltern schilderten in einer offenen Diskussionsrunde verzweifelt, wie sie künftig ihren Arbeitsalltag noch schaffen sollen, wenn sie ihr Kind früher aus der Betreuung abholen müssten.

"Ich müsste Stunden reduzieren und käme beruflich nicht voran", erklärte Lena Mazur. Die 39-Jährige hat einen 20 Monate alten Sohn, der aktuell noch 41 Stunden in der Woche in einer Großtagespflege betreut wird.

Eine Frau mit großer Brille und schwarzem Oberteil vor einem gemauerten Flur

Betroffene Mutter Lena Mazur

Bei einem Gespräch in der städtischen Beratungsstelle für die Kindertagespflege, zu dem alle Eltern mit erhöhtem Betreuungsbedarf per Brief im April aufgefordert worden waren, habe ihr die dortige Mitarbeiterin nicht weiterhelfen können. "Sie wusste über die geplanten Änderungen nichts. Das war keine Beratung, eher eine Bedarfsabfrage", so Mazur.

Tagespflegende sorgen sich um Existenz

Einige teils langjährige Tagesmütter und -väter erzählten auf der Veranstaltung von ihren Sorgen. "Ich habe das erste Mal Existenzängste", bekannte Jürgen Grah, seit 13 Jahren Tagesvater im Stadtteil Bilk. Er habe bereits zwei Kündigungen verunsicherter Eltern bekommen, die nun lieber einen sicheren 45-Stunden-Platz in einer Kita vorziehen.

Die Tagespflegenden kritisieren weitere Punkte am Vorhaben der Stadt. Zwar sollen sie nun nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt werden, wie lange gefordert, würden aber meist niedriger eingestuft: Nicht wie Kita-Pfleger, sondern wie Hilfs- oder Ergänzungskräfte.

Stadt will transparentes System

Kinder machen mit ihrer Tagesmuttter Seifenblasen

Tagespflegende befürchten Existenzsorgen

Die Stadtverwaltung kann die harte Kritik nicht ganz nachvollziehen. Erfahrungsberichte zeigten, dass viele Eltern mehr Stunden für einen Tagespflegeplatz buchen müssten, als sie tatsächlich bräuchten, heißt es. Man wolle daher ein "offenes, gerechteres und transparenteres System".

Bisher gebe es überwiegend positive Rückmeldungen aus den Beratungsgesprächen mit Eltern, mit denen man individuelle Lösungen finden wolle, auch für mehr als 35 Stunden, sagt Jugendamtsleiter Stephan Glaremin.

Am Mittwoch soll es ein Gespräch der Stadt mit den Trägern der Kindertagespflege über die neuen Regeln geben. Der Jugendhilfeausschuss soll sie bislang Anfang Juni beschließen, so dass sie zum 1. August in Kraft treten können. Doch Eltern und Tagespflegende zeigten sich am Montagabend entschlossen, sich gegen das Vorhaben zu wehren.

Düsseldorf: Protest gegen Nachweise für Kindertagspflege

WDR Studios NRW 13.05.2024 00:46 Min. Verfügbar bis 14.05.2026 WDR Online


Quellen:

  • Interessengemeinschaft Kindertagespflege Düsseldorf
  • Stadt Düsseldorf
  • Betroffene Eltern
  • Tagesvater Jürgen Grah, Düsseldorf-Bilk